Die Düsseldorfer Malerschule

Düsseldorf, Stadt der Künstler

Die Düsseldorfer Malerschule war weltberühmt. 1849 wurde sogar in New York eine „Düsseldorf Gallery“ gegründet, wo die Bilder der Malerschule ausgestellt und verkauft wurden. Das vielleicht berühmteste Werk der amerikanischen Geschichte «Washington überquert den Delaware» - ein Riesengemälde, das sich seit 1897 im Metropolitan Museum in New York befindet - stammt von Emanuel Leutze und entstand 1851 in einem Düsseldorfer Atelier in der Schadowstraße. Wie kam es dazu, dass in dieser relativ kleinen Stadt am Rhein so viele zum Teil weltbekannte Künstler lebten und in engem Austausch miteinander standen?

Um das zu verstehen, muss man einen Blick in die Barockzeit werfen. Der Kurfürst Jan Wellem (Johann Wilhelm von der Pfalz 1658–1716) lebte nicht in seinem Heidelberger Schloss, sondern in Düsseldorf. Er heiratete Anna Maria Luisa de’ Medici aus Florenz, deren Familie eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der damaligen Zeit besaß. Die beiden sammelten mit großer Hingabe Kunst, waren mit vielen Künstlern gut bekannt und stellten ihre Werke in einem Flügel des Schlosses aus. Damit schufen sie eins der ersten öffentlich zugänglichen Museen. Als Jan Wellem starb, hinterließ Anna Maria Luisa der Stadt Düsseldorf Jan Wellems Teil der Sammlung, ging aber selbst nach Florenz zurück. Als Kurfürst Carl Theodor 1773 die Kurfürstlich Pfälzische Akademie der Maler-, Bildhauer- und Baukunst gründete, betraute er den Künstler und Sammler Lambert Krahe mit der Leitung. Krahe hatte eine große und bis heute bedeutende Sammlung von Zeichnungen der Renaissance und des Barock zusammengetragen, die er vor allem in Rom erworben hatte. Diese Zeichnungen dienten als Vorlage für den Zeichenunterricht der Schüler. Der begabte Sammler und Lehrer brachte mit seiner renommierten Zeichenschule viele hervorragende Künstler hervor. Jetzt ist die berühmte graphische Sammlung im Kunstpalast gelagert und bis heute Bestandteil der Lehre, wird aber auch immer wieder in Wechselausstellungen gezeigt. So weise die Entscheidung Carl Theodors für Lambert Krahe war, so unglücklich wirkte sich die Ernennung seines Nachfahren zum König Maximilian von Bayern aus. 1806 wurde ein Großteil der Sammlung zum großen Bedauern der Düsseldorfer nach München geschafft, wo sie bis heute in der Alten Pinakothek zu sehen ist.

Dafür erlebte die Kunstakademie einen enormen Aufschwung. Wirklich bedeutend und mit viel Geld ausgestattet wurde sie nach 1815, als der preußische König Friedrich Wilhelm III neuer Landesherr wurde. Die Preußen waren bei den Rheinländern nicht beliebt, deshalb bemühten sie sich, sie durch Förderung von Kultur für sich einzunehmen. So veranlasste der preußische König, dass Wilhelm Schadow, einer der Söhne des berühmten Berliner Bildhauers Gottfried von Schadow, die Akademie leiten sollte. Der brachte gleich seine besten Schüler mit. Er kannte jeden einzelnen von ihnen, ging täglich durch alle Malsäle und gab Korrekturen, wobei er die Eigenarten der Schüler respektierte.

Auch gesellschaftlich kam ein wenig königlicher Glamour in die Stadt: Im Jägerhof wohnte ein Neffe des Königs, Prinz Friedrich von Preußen mit seiner Frau Prinzessin Luise und zwei Kindern, die bei den Düsseldorfern sehr beliebt waren. Prinzessin Luise nahm selbst Malunterricht und hielt engen Kontakt mit den Künstlern. Die nahmen mit den Düsseldorfer Bürgern das kulturelle Leben in die Hand. Sie gründeten den Musikverein, der bald das berühmte Niederrheinische Musikfest ausrichtete. Im von Karl Leberecht Immermann geleiteten städtischen Theater am Marktplatz wurden zum Teil von ihm selbst geschriebene Stücke aufgeführt, die Malerschüler traten als Schauspieler auf und malten die Kulissen. Es gab Lustgärten, Parkanlagen, Cafés, Pavillons, in denen sich die Bürger trafen und feierten, aber auch Galerieräume, in denen man die Kunst der Düsseldorfer Maler sehen konnte. Alle Schichten der Bevölkerung nahmen Anteil an der Kunst, die in ihrer Stadt entstand. In diesem Klima fühlte sich auch Robert Schumann, der nach Felix Mendelssohn Bartholdy das Rheinische Musikfest leitete, so wohl, dass er seine strahlende „Rheinische Sinfonie“ schrieb. Seine Frau, die berühmte Pianistin und Komponistin Clara Schumann war nicht so begeistert, weil er mit seinen neuen Freunden dauernd in den Bierkneipen saß.

Der berühmte Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy war ein guter Freund von Wilhelm Schadow, mit dem er durch Italien gereist und in Rom zusammen war. Die Künstler, die oft lange Zeit bei und in Rom gelebt hatten und deren Kunst von der Renaissance beeinflusst war, wurden etwas spöttisch Nazarener genannt. Sie lebten in klosterähnlicher Abgeschiedenheit und sahen mit ihren langen Haaren und Bärten aus wie man sich Jesus vorstellt. Ihre große Liebe galt Raffael. Theodor Mintrop war nie in Rom gewesen, aber er träumte davon, wie man auf seiner Zeichnung auf S. ? sieht. Und er war von Raffaels berühmtem Gemälde «Die Sixtinische Madonna», das er in Dresden gesehen hatte, so begeistert, dass er die „Madonna mit dem Jesuskind und Johannes“ (S.?) im Stil Raffaels malte.


Wie es nach der Düsseldorfer Malerschule weiterging

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen dann andere, neue künstlerische Entwicklungen aus Frankreich. Dort interessierte man sich für die Wirkung des Lichts, und die Malerei der Düsseldorfer Malerschule, die Literatur und Geschichten aus der Vergangenheit zum Thema hatte, galt nicht mehr als zeitgemäß. Die fortschrittlichen Maler gingen nach Paris, um sich mit der neuen «impressionistischen» Malerei zu beschäftigen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der akademische Betrieb auch in Düsseldorf zunehmend kritisiert. Neue Gruppen wie das „Junge Rheinland“ verschafften der Stadt internationale Beachtung. Hier gruppierten sich die Maler um die berühmte „Mutter Ey“, die zunächst eine Bäckerei betrieb, die jungen Künstler durchfütterte und schon bald einen sicheren Blick für gute Kunst entwickelte. Sie hielt auch den Nazis, die diese Kunst als «entartet» verfolgten und viele Künstler in die Emigration trieben, tapfer stand, konnte aber ihren Kunsthandel nicht weiter betreiben. Die Akademie wurde bald von Nazi-freundlichen Professoren geleitet. Moderne Kunst konnte sich in dieser finsteren Epoche in Deutschland nicht weiterentwickeln. Während nach dem Krieg in Deutschland noch viele Altnazis in ihren Ämtern waren, wehrte sich die Künstlerschaft bald gegen sie. In die Akademie zog ein fortschrittlicher Geist ein, und in den 60er und 70er Jahren war sie mit Schülern wie Sigmar Polke und Gerhard Richter und Professoren wie Joseph Beuys wieder ein Anziehungspunkt für die internationale Kunstszene. Kunsthändler wie Alfred Schmela und die Galerie 22 brachten internationale moderne Kunst nach Düsseldorf, wo sich unter anderem die Zero-Bewegung entfaltete. Wieder profitierte die Stadtgesellschaft von der Offenheit der künstlerischen Debatte, berühmte Werbeagenturen und Modefirmen ließen sich in Düsseldorf nieder, das Theater unter Karl-Heinz Stroux gehörte zu den fortschrittlichsten Theatern Deutschlands, und in der Nachbarstadt Köln war experimentelle Musik zu hören. Der Galerist Konrad Fischer brachte die europäische und amerikanische Avantgarde nach Düsseldorf, und unter dem Einfluss der Lehrer Bernd und Hilla Becher entstand an der Kunstakademie eine neue, wegweisende Form der Fotografie mit internationaler Ausstrahlung.

Der kreative Geist und das künstlerische Erbe dieser Stadt sind nach wie vor lebendig. Es liegt an uns allen, die Düsseldorfer Kunstgeschichte mit ihren vielen Erscheinungsformen kennenzulernen und wach zu halten.
* Kurfürst, ab 1805 König Maximilian von Bayern

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